Beitrag zur Verbreitung von Fachwissen
Die komplexen Realitäten der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer
Nach dem 50. Lebensjahr auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, kann in der Schweiz eine Herausforderung sein. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS), wonach über 50-Jährige stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, müssen uns dazu veranlassen, die Ursachen und Folgen dieses Trends zu hinterfragen, zumal sie ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz ausmachen.
Das Image von über 50-Jährigen in Unternehmen kann für manche fälschlicherweise mit einer wirtschaftlichen Belastung (hohe Gehaltsforderungen), einer Herausforderung für den internen Zusammenhalt (angebliche mangelnde Anpassungsfähigkeit und Flexibilität) oder einem Risiko für die Produktivität oder Leistung (angebliche Abneigung gegen Technologie) in Verbindung gebracht werden.
Angesichts der Anhebung des Rentenalters und des demografischen Wandels (im Jahr 2035 werden 50 % der Bevölkerung in Europa über 45 Jahre alt sein) ist die Beschäftigung älterer Menschen mehr denn je eine gesellschaftliche Herausforderung. Es handelt sich um ein echtes Thema, das sowohl in Unternehmen als auch in der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Alterung angegangen werden muss.
Um das Thema zu veranschaulichen, haben wir verschiedene Fachleute aus dem Bankensektor, die über 50 Jahre alt sind und auf Stellensuche sind, um ihre Erfahrungen gebeten. Die Pilotmaßnahme des Arbeitsmarktes LevelPlus hat es uns insbesondere ermöglicht, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die seit mehreren Monaten auf Stellensuche sind.
Herr X, ausgebildeter Ingenieur mit Spezialisierung im IT-Bereich, der über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bankwesen für Finanzinstitute vor Ort verfügt, ist seit 13 Monaten arbeitslos. Mit 55 Jahren, zehn Jahre vor seiner Pensionierung, findet er sich auf dem Arbeitsmarkt wieder.
Er berichtet von seinen Schwierigkeiten, zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden, obwohl er sein Netzwerk aktiv genutzt und Hunderte von Bewerbungen verschickt hat.
Wie kann man als Senior Unternehmen für sich gewinnen?
Wir haben die folgenden verschiedenen Hebel identifiziert:
- Sich kontinuierlich weiterbilden: Um möglichst lange berufstätig zu bleiben, muss man während seiner gesamten beruflichen Laufbahn ständig dazulernen. Einer der Hauptgründe für die Langzeitarbeitslosigkeit älterer Menschen ist die Diskrepanz zwischen ihren Kompetenzen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Entweder hat sich der Beruf verändert (veraltete Kompetenzen) oder er ist ganz verschwunden. Der technologische Fortschritt schreitet mit Riesenschritten voran (Robotik, künstliche Intelligenz usw.).
- Eine Kompetenzbilanz erstellen: Dieses Instrument ist eine sehr gute Möglichkeit, sich auf die zweite Hälfte der beruflichen Laufbahn vorzubereiten und neue berufliche Möglichkeiten zu entdecken. Diese Bilanzen ermöglichen es, die eigenen Stärken und Schwächen zu bewerten, sich zu orientieren und das eigene Potenzial besser zu verstehen.
- Das Gehalt überdenken: Dies ist oft ein schwieriger Schritt für ältere Arbeitssuchende. Das Gehalt wird oft ungeschickt mit dem Wert einer Person gleichgesetzt und als Anerkennung für ihre Arbeit und ihren sozialen Erfolg angesehen. Eine Gehaltskürzung ist jedoch nicht der einzige Schlüssel zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt, sondern vielmehr ein Tabu, das es zu brechen gilt, um wieder ins Berufsleben einzusteigen.
- Befristete Aufträge in Betracht ziehen: Senioren verfügen über sehr wertvolle Kompetenzen. Wie Festanstellungen sind auch befristete Verträge, Beratungs- oder Freelancer-Verträge Beschäftigungsmöglichkeiten, die man nicht außer Acht lassen sollte. Die einzige unabdingbare Voraussetzung, wenn man selbstständig ist: Man muss sich im Vorfeld und über mehrere Jahre hinweg ein Netzwerk aufbauen. Der Markt für befristete Arbeitsverhältnisse ist im Vergleich zu 2022 um 8 % gewachsen, und dieser Trend setzt sich fort. Die Abfolge von Wirtschaftskrisen trägt zu einem Klima der Unsicherheit bei und veranlasst manche Unternehmen dazu, Mitarbeiter einzustellen, ohne sich langfristig zu binden. Einige Jahre vor dem Ruhestand kann es neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen, wenn man sein Know-how in Form von „Projekten” an jüngere Teams weitergibt. So kann man an seinem „Personal Branding ” arbeiten, sich einen Namen machen, seine Aufgaben selbst auswählen und seine Flexibilität erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beschäftigung von Senioren sowohl von der Eigeninitiative der Bewerber als auch von der Entwicklung der Anforderungen des Marktes, in dem sie tätig sind, abhängt. Je größer die Diskrepanz zwischen diesen beiden Faktoren ist, desto schwieriger wird es, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Lösungen liegen in den Händen der Bewerber, aber auch in denen der Arbeitgeber, die sie dabei unterstützen müssen, ihre wertvollen Kompetenzen anzuerkennen und zu erhalten, um den Nachwuchs auszubilden.

Adelaide Gorchynskyy und Julie Guittard
Michael Page
Personalberaterinnen
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